Unser inneres Haus

Letzte Woche wurde ich auf einem Seminar mit dem Begriff "Katathymes Bilderleben" konfrontiert. Dieser Begriff war für mich nicht belegt. Zum Glück gibt es Wikipedia.
Die Katathym Imaginative Psychotherapie (KIP) ist ein von Hanscarl Leuner 1954 eingeführtes tiefenpsychologisch fundiertes Verfahren, das anfänglich unter den synonymen Begriffen „Katathymes Bilderleben“ (KB) und „Symboldrama“ bekannt wurde. Heute heißt es im offiziellen Sprachgebrauch „Katathym Imaginative Psychotherapie“ (KIP).
Aha, und was heißt das?
Im Unterschied zu Visualisierungstechniken anderer Methoden zeichnen sich die katathymen Imaginationen dadurch aus, dass sie nicht nur optische Eindrücke plastisch vor Augen führen, sondern grundsätzlich alle Sinnesmodalitäten umfassen und sich in Handlungsvollzügen von Tagtraumcharakter entfalten. Das Beiwort „katathym“ soll deutlich machen, dass diese Vorstellungen „aus dem Gefühl heraus“, also nicht willentlich gesteuert werden.
Auf der Bildebene des Tagtraums kommen neben der aktuellen Befindlichkeit des Patienten u.a. seine Wesenszüge, Verhaltenseigentümlichkeiten, Ressourcen, Motivationsstrukturen und zentralen unbewussten Beziehungskonflikte symbolisch zur Darstellung.
Okay, mit dem Wort Tagtraum kann ich durchaus etwas anfangen. Für mich sind das die kleinen Alltagsfluchten. Aber was ist nun der Unterschied zwischen Tagtraum und katathymer Imagination und was hat es mit den Symbolen auf sich?
Da werde ich bei Wikipedia nicht fündig und komme auf diese Seite
Der Begriff „katathym“ leitet sich vom griechischen Wort „Thymos“ für Gemüt oder Seele ab und beschreibt die Wirkung eines verdrängten Konfliktes oder Traumas auf die Psyche. Dabei geht die Methode von der Annahme aus, Bilder die wir in Tagträumen sehen oder im Zustand der Tiefenentspannung visualisieren, spiegeln unsere unbewussten Gefühle wider. Daher werden die Imaginationsübungen auch nicht willentlich gesteuert. Der Patient lässt sich viel mehr darauf ein, was an Bildern und damit verbundenen Emotionen aus dem Unterbewusstsein an die Oberfläche kommt. Er selbst hält den Schlüssel zur Deutung der Symbole in der Hand.
Und nun gibt es eine Auflistung der Symbole (Wiese, Bach, Berg, Waldrand, Höhle, Löwe, Haus) mit Erklärung.
Mich zieht das Symbol "Haus" an und ich bekomme auf dieser Seite ein Beispiel.
Anwendungsbeispiel aus der Praxis:
Frau S. suchte ihr "inneres Haus" auf. Sie stellte zu ihrer Bestürzung fest, dass schreckliche Unordnung herrschte, das Wohnzimmer staubig und ungemütlich war, Küche und Keller "eine Katastrophe".
Dieses innere Haus spiegelte ihr momentanes "Chaos" im Leben wieder. Im Laufe der nächsten Sitzungen machte sich Frau S. daran, aufzuräumen, zu putzen und das Haus nach ihrem Geschmack einzurichten. Sie entdeckte nie benutzte Zimmer und überlegte sich, wie sie diese einrichten könnte. Ein Zimmer wurde zur Entspannungs- und Kuscheloase, eines zum Musikraum. Den Keller entrümpelte sie und entdeckte dabei wertvolle Schätze, von denen sie nie geahnt hätte, dass diese zwischen alten Kisten auftauchen würden.
Mit zunehmender Hausrenovierung und Nutzung veränderten sich auch grundlegende Strukturen im Leben von Frau S. Sie ließ viel "seelischen Müll" los, ging grundlegende Partnerschaftsprobleme an und veränderte ihre berufliche Situation, mit der sie vorher sehr unzufrieden war. Insgesamt veränderte sie ihr Leben in vielen Bereichen. Dies brachte ihr Zufriedenheit, Selbstvertrauen und Gesundheit (Heilung ihrer Migräne).
Ich kenne einige Leute, die statt einem inneren Haus eine Baustelle haben. Aber so ist das ja manchmal im Leben. Alles ist im Umbau begriffen und wir können nur hoffen, dass die Baustelle sich zu dem vagen Bild entwickelt, das wir haben. Oder es entwickelt sich alles ganz anders als gewollt oder erhofft und hinterher stellen wir fest, dass sich trotzdem alles zum Guten für  uns gewendet hat.

Und nun fand ich heute Morgen in unserer Tageszeitung eine kleine Notiz.
Omar Sharif (80), Schauspieler, hält Filmpreise wie die Golden Globes für entbehrlich. "Ich wollte nie etwas besitzen. Wenn ich sterbe, kann ich doch sowieso nichts mitnehmen", sagte er in einem Interview. "Wie soll ich mit diesen Dingern reisen?", fragte der 80-Jährige, der seit Jahren keinen festen Wohnsitz hat und aus dem Koffer lebt. Seine logische Konsequenz: "Also habe ich sie einfach in den Hotels stehen lassen."
Ich lebe in einem Viertel mit vielen Rentnern, die den ganzen Tag damit beschäftigt sind Haus und Garten zu pflegen. Jedes Gründstück ist eindeutig mit einem Zaun begrenzt. Manchmal möchte ich in die Köpfe der Leute sehen können. Wie das innere Haus meiner Nachbarn aussieht und wie das eines 80-jährigen, der in der Welt zuhause ist. Wir denken so oft, dass wir viel besitzen müssen um reich zu sein. Und was ist ein 80-jähriger ohne Besitz?
Auf demselben Seminar hörte ich, dass Frauen von der Venus kommen und die Veranlagung haben alles zu teilen. Die Männer kommen vom Mars und sehen das anders.

Was aber, wenn Spezies "alles teilen" auf Spezies "Besitzlosigkeit macht frei" trifft?
Müssen wir dafür erst achtzig werden und erkennen, dass wir nichts mitnehmen können?

Wie sieht Dein inneres Haus aus? Schließ mal die Augen .....

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