Lob und Tadel

Meine Freundin Julia kam kürzlich von einem Seminar zurück mit der Behauptung, dass "sich erklären" nicht integer sei. Da ich ein Gefühlsempiriker bin, kann ich Dinge, die ich nicht selber "durchfühlt" habe, zwar stehen lassen, aber nicht annehmen. Ich brauche ein gefühltes Wissen zu Behauptungen, sonst bleiben sie in ihrer Bedeutung leer für mich.
Und so gibt mir das Leben immer wieder Gelegenheiten mein eigenes Wissen zu erweitern.

Als ich am Samstag in eine Diskussion um Sinn- und Zweckhaftigkeit bestimmten Tuns geriet, glitt ich selber in eine Erklärungshaltung, warum ich bestimmte Dinge gerade nicht mache. Ich bemerkte meine Haltung, konnte jedoch nicht aufhören, bis ich meine Erklärung zu Ende gebracht hatte. So verhält es sich in letzter Zeit immer öfter. Ich bemerke, dass meine Aktion oder Reaktion ziemlich daneben ist und führe sie zu Ende, weil ich zum Schluss erkennen kann, was meine wahren Beweggründe sind.
In diesem Fall war es das Bedürfnis nach Bestätigung.
Obwohl ich davon ausgehen konnte, dass mein Gegenüber kein Verständnis dafür hat, dass ich bestimmte Dinge gerade nicht mache, wollte ich von ihm hören, dass es in Ordnung ist.

Und mir wurde klar, dass wir sehr oft in dieses kindliche Verhalten rutschen und von einem anderen hören möchten, dass unser Verhalten völlig okay ist, wenn auch absolut unverständlich. Es braucht viel innere Stärke Dinge zu tun, die sich aus einem Selbst heraus richtig anfühlen, von der Umgebung jedoch mit Unverständnis, vielleicht sogar Ablehnung, quittiert werden.
"Bin ich richtig? Mache ich das richtige? Kann es wirklich richtig sein, nur weil es sich für mich richtig anfühlt und für keinen anderen sonst?"
Wir haben gelernt auf Lob zu reagieren, genau so wie auf Tadel. Lob und Verständnis bringen uns vorwärts, Tadel oder Unverständnis blockieren uns.
Daraus gilt es hervorzutreten. Und dafür braucht es Selbstvertrauen, Vertrauen in das, was sich in mir richtig anfühlt und wenn auch nur in mir und in keinem anderen sonst.
Auf Bestätigung verzichten zu können heißt sich seiner selbst sicher zu sein. Selbstsicherheit ist ein Aspekt der persönlichen Integrität.
"Ich bin mir sicher", das bedeutet in sich sicher und geborgen zu sein, Zweifel ist der Sturm, der uns manchmal beutelt, ist unsere Basis stabil, bleiben wir standhaft.

Als ich vor Jahren begann Kampfkunst zu praktizieren, war ich irgendwann frustriert, da mich mein Trainer weder lobte noch kritisierte. Ich wusste nicht wo ich stand.
Da fiel mir bei einem Freund das Büchlein "Krieger des Lichts" von Paolo Coelho in die Hände und ich fand die richtige Passage. Da stand: Ein Krieger des Lichts braucht weder Lob noch Tadel, denn beides bringt ihn von seinem Weg ab.
Und da verstand ich, dass ein anderer nicht darüber urteilen kann, ob du etwas gut oder schlecht machst. Du machst es, wie es für dich eben möglich ist. Alles, was du tust, tust du für dich. Deswegen bedarf es auch keiner Bestätigung. Du alleine kannst für dich beurteilen, ob das, was du tust, für dich gut ist. Meine Kata kann den einen berühren und den anderen nicht. Das ist unwichtig. Alles was zählt ist, wie ich mich dabei fühle. Das gilt auch fürs Leben. Wichtig ist, wie du dich bei dem fühlst, was du tust. Wichtig ist, die Motivation für das, was wir tun, aus uns selbst zu holen. Dann werden wir unabhängig. Und ehrlich.

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Eine Zusammenfassung zum Thema finden Sie auf meiner Website unter "Ist die Aufgabe von Erfolg Verrat?".



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