Seid Sand, nicht das Öl im Getriebe

Ich habe nicht sehr viel aus dem Deutschunterricht in der Schule mitgenommen, aber eine Sache ist deutlich hängengeblieben. Es ist das Ende des Gedichts "Wacht auf" von Günter Eich, das er 1950 geschrieben hat.

Seid unbequem, seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt!

Nun fand ich eine Aussage, die dem 14. Dalai Lama zugeschrieben und folgendermaßen zitiert wird

Lerne die Regeln, damit du sie richtig brechen kannst. 

Wie ist das gemeint? Ist das eine Aufforderung? Soll ich die Regeln brechen? Was ist mit "richtig" gemeint? Und was mit Bruch? Der kleine Revoluzzer in mir schreit "Ja!", Anarchie, Sand sein, den Ablauf stören, Regeln brechen - Freiheit! Der Bedenkenträger in mir wägt ab. Soll er das wirklich gesagt haben? Soll er das so gesagt haben? Der Dalai Lama? Und wie hat er es gemeint? Kann es sein, dass, wie so häufig, Worte mit der Übersetzung eine andere Bedeutung bekommen? Sprüche lassen oft einen großen Interpretationsraum. In eine andere Sprache übersetzt, verlieren sie manchmal den Kern. Auf einer Seite las ich die Worte so

Lerne die Regeln, damit Du weißt, wie Du sie brichst.

Diese Worte haben eine völlig andere Aussage.
Ich bleibe lieber beim Sand im Getriebe. Ich mag das Bild und das Geräusch dazu. So ein bisschen Sand und es fängt an zu knirschen. Eine Frage stellen und den Ablauf unterbrechen. Zur Zeit streut jemand Sand in mein Getriebe und die Dinge laufen nicht so, wie es mir passen würde. Das ist unbequem. Und gut so. Ich darf mich in Geduld und Gelassenheit üben, eine der schwierigsten Übungen für mich. Es zerknirscht mich. Ich darf selbst für das Öl sorgen, damit ich trotz Sand weiterlaufe statt stehen zu bleiben. Was ich in diesem Jahr nicht geschafft habe, schaffe ich im nächsten. Das ist das Gute an Zäsuren. Irgendwann ist der Sand Schnee von gestern. Ich schaue zurück und kann über mich selbst lachen.

Ich wünsche euch Humor für das, was hinter euch liegt und Hoffnung für das, was vor euch liegt.

Auf ein bompforzinöses 2014!

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